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  Sonntag - 07.01.07  
 
„Bei uns ist eine Menge Kraft zu holen“
Interview mit Subway To Sally Sänger Eric am 22.07.2006

JC: Ihr wollt nicht unbedingt, dass eure Musik als mittelalterlich bezeichnet wird. Als was würdet ihr euch daher selbst einstufen?

Eric: „Die Tüte, wo das drinsteckt, hat einfach nur die Aufschrift „Subway To Sally“, das ist unser Anspruch schon immer gewesen und auch zu hören, eigentlich bei all unseren Platten, dass wir in gewissem Maße unseren eigenen Weg gemacht haben und wir immer wieder innovativ, um mit diesem neuen Wort umzugehen, die Musikrichtung, wie immer man sie nennen mag, nach vorne gebracht haben, also es ist schon was sehr, sehr eigenes aufgrund der Möglichkeiten, die diese Band in sich hat, also der Hauptkomponist Emo ist halt ein – ja, in meinen Augen ist er halt ein Genie. Wie Genies so halt sind, schwierig, aber durchaus in der Lage, Sachen zu produzieren oder zu schaffen, die von bleibender Dauer sind und ich denke schon, dass man – und das war eigentlich immer das Ziel – wenn man in ner Disco irgendwie ein neues Lied von uns einlegen würde, alle Menschen erkennen würden, dass wir das sind. Und das ist der entscheidende Punkt, so soll es sein und es ist nicht so, dass wir einen gewissen Sound kreiert haben oder so, aber so unsere Art, Lieder zu machen, ist wirklich eigentlich einzigartig, deswegen hat das perifär schon irgendwas mit dem Mittelalter zu tun oder ich sag mal mit alter Musik, in so fern, dass wir da irgendwelche Stilmittel verwenden, auch Instrumente, aber wir machen es ja nicht wie andere Bands, die sich versuchen hineinzuversetzen in diese Zeit und sich so zu kleiden und in dieser Art und Weise reden, auch die Ansagen vielleicht noch so zu machen, so „Höret!“, wisst ihr, ne das ist schon so für mich eine sehr moderne Sache, die wir da machen“.



JC: Ihr könnt mittlerweile auf über 10 Jahre eigene Musikgeschichte zurückblicken - wie hat sich (eurer Meinung nach) das Business verändert und vor allem, wie habt ihr euch verändert?


Eric: „Ja, es ist – also wenn ihr das mit den ganzen Business und Plattenfirmen, Promotionfirmen und Radio, Fernsehen meint, dann empfinde ich es als wäre es schlimmer geworden, also als wir angefangen haben oder als wir unseren ersten Plattendeal hatten oder unseren zweiten, konnte man doch noch tatsächlich davon ausgehen, dass die Plattenfirma die … oder es ist ja eher so eine Person im Grunde, die natürlich aufmerksam wird und die sich bemüht um dich, das ist ja LMA unsere Plattenfirma, konnte man davon ausgehen, dass der das nur deswegen macht, weil er drauf steht, weil er es mag, weil er dran glaubt, letztendlich total … ist ne Firma, so eine Plattenfirma, die Geld verdienen muss und das heißt auch daran glauben, dass man glaubt, mit so einer Band Geld zu verdienen. Und im Umkehrschluss haben sie dann damals die Bereitschaft gehabt, da auch Geld hineinzustecken, in dem Maße, wie es natürlich sinnvoll erscheint, und diese war damals halt auch so eine gewisse Aufbruchstimmung, auch in den Plattenfirmen zu spüren, Mut auch, Dinge zu fördern, an die man – oder an die die Leute dort, die da über Gelder zu entscheiden hatten – demjenigen glaubten und da investiert haben und das ist nach und nach im Laufe der Jahre verloren gegangen, es gibt jetzt ganz andere Herangehensweisen der Plattenfirmen, aus dem Grunde, dass die … eigentlich, … , der Medienmarkt sehr, sehr schnelllebig ist und auf den kurzfristigen Erfolg setzt, das heißt, es werden, um mal ein Beispiel zu nennen, von der Sony oder von Universal, die kenn ich noch am besten, von einer Musikrichtung oder so werden zehn junge Bands eingekauft, die ähnlich klingen, in der Hoffnung, dass es bei einer knallt. Die kriegen alle eine Platte vorgeschossen und können eine Platte machen und bei einer klappts vielleicht. So das Prinzip „Schütt mal alles aus, guck mal wo was wächst“. Da steckt nicht mehr diese Idealvorstellung hinter, die in den 60-ger Jahren geboren worden ist, als Plattenfirmen entstanden sind, mit einer Band zusammen was erreichen zu wollen, im Grunde ist es keine wirkliche Zusammenarbeit mehr. Und wenn wir mal auf uns zu sprechen kommen, wir haben lange Jahre mit … zutun gehabt, mit … und Universal, wir sind ja jetzt zurückgegangen zu einer Firma, die kein … ist, die nicht das Potential und die Größe hat, Nuclear nämlich, die aber durchaus noch auf dieser alten Art und Weise arbeiten. Das ist ein Glücksfall, finde ich, dort mit Leuten umgehen zu können, die dir wirklich das Gefühl geben, dass sie dich nicht aus geschäftlichen oder genannten Gründen eingekauft haben, sondern deswegen, weil sie deine Musik mögen und deswegen sage ich, es ist ein Glücksfall, es ist wirklich so, jeder Musiker kann dort ein, zwei Leute anrufen, deren Telefonnummern man hat, und kann mit seinen Sorgen und Ideen dort sofort ein offenes Ohr finden, hier ein sehr großes Kompliment an die Firma, aber das ist eine echte Ausnahme, das gibt es sonst gar nicht mehr. Bei allen Großen ist es eben nach dem … Prinzip, so passiert das, und wie gesagt, ich sag es gern nochmal, das sind Radiostationen und Fernsehen, die gar nicht bereit sind, was scheinbar neues an einer Musikrichtung oder eine neue Band überhaupt zu spielen. Insofern hat etwas Neues keine reelle Chance, ohne viel Geld, was es kostet um gesendet zu werden, wahrgenommen zu werden. Da beißt sich die Katze echt in den Schwanz. Und wenn man nicht so wie wir bereit ist über Jahre einfach nur über das Spielen – exzessives Spielen – sich ein Publikum zu erarbeiten, was viele junge Bands nicht bringen, weil sie irgendwann an den Punkt kommen, wo sie keine Zeit für ihre Jobs haben, mit der Musik aber kein Geld verdienen und an dem Punkt hören viele auf. Darum bleiben viele Bands auf der Strecke. Wir haben es durchgezogen und werden in den letzten Jahren dafür belohnt.

JC: Was war bisher der Höhepunkt eurer Karriere?

Eric: Es gibt so viele andersartige Höhepunkte. Es kann ein Festival sein, wo du vor 40.000 Leuten spielst und aus nem gewissen Understatement heraus nicht glaubst, dass sie auf dich stehen. Aber Höhepunkt ist auch eine Hallentour, die ausverkauft ist. Immer in Zusammenhang mit der Art des Publikums, das man auch hat. So ein begeisterungsfähiges und textsicheres Publikum habe ich selten bei einer anderen Band gesehen. Die Accoustiktour war auch ein Höhepunkt. In einer Kirche und die Leute standen ab dem dritten Song auf den Bänken.

JC: Wie bringt sich jeder in der Band beim „Erstellen“ eines neuen Liedes ein?

Eric: Bei uns ist das relativ klar gegliedert. Es gibt drei Leute, die die Songs schreiben und nur einen, der den Text schreibt. Nach der Textvorlage wird die Musik gemacht. Die Texte liegen auf einem Stapel und man hat sie immer wieder bei sich und lässt sie sich immer wieder durch den Kopf gehen, so dass man ihn auswendig kennt. Irgendwann fühlt man sich berührt, und der setzt sich hin und schreibt den Song fertig. Jeder von uns hat da eigene Methoden. Am Ende setzen wir uns zusammen, suchen die Songs aus, dann bleiben manchmal 12 übrig und manchmal nur 8 – wie beim letzten Album, das war ein bisschen dünn, das geb ich zu.

JC: Ein Lied auf eurem neuen Album dreht sich komplett um die Zahl 7 - warum habt ihr ausgerechnet die der Vollendung zugeordnete 7 und keine andere Zahl gewählt?

Eric: Es hätte auch die 3 sein können, aber dazu hatten wir keinen guten Reim. *lacht* Nein, die 7 ist seit Jahrtausenden eine bedeutende Zahl. Bei den Pharaonen, den Inkas, in der Bibel. Eine Katze hat 7 Leben. Wir sind 7 Leute in der Band. Wenn du so willst, gibt es ganz viele Beziehungen zu der Zahl.

JC: Was war das Ausgefallenste, das Fans für euch getan haben?

Eric: Das mit den Geschenken nimmt in den letzten Jahren zu. Grade bei der Autogrammstunde hat mir jemand meinen Namen in Metall geschmiedet und mir geschenkt. Viele Leute schicken uns auch Texte, da ist auch oft was Ausgefallenes bei. Wir ziehen durchaus auch Leute an, vor allem junge Leute, die Probleme haben. Wenn ich mir das so ansehe da draußen, grade diese ganz jungen Mädchen, wie viele Narben die an den Oberarmen haben. Das ist sehr offensichtlich, dass da eine Menge Kraft bei uns zu holen ist. Vor allem für Leute, die solche Probleme haben, die man auch ernst nehmen muss. Und genau das wollen wir ja auch. Wir suchen uns ein Publikum und finden dies auch, die ihren Kopf nicht zu Hause lassen, wenn sie auf ein Konzert gehen. Darauf beruht diese ganze Magie zwischen dem Publikum und uns, auf dem Inhalt, auf dem Hintergrund. Naja, und solche Leute, auch welche, denen auch geholfen wurde, bedanken sich schon in ganz süßer Form. Mit Bildern oder Gedichten. Ich kann da auch gar nichts herausheben. Das ist manchmal sehr rührend.

JC: Und wo hört Fanliebe für euch auf?

Eric: Ich weiß nicht. Wir sind ja nicht wie Tokio Hotel, dass da Leute vor dem Hotelzimmer stehen. Ich kann das gar nicht so definieren. Wir machen das auch gerne, dass wir nach einem Konzert rausgehen und mit den Leuten reden. Und ich muss sagen, dass das Publikum absoluten Respekt hat, auch vor der Privatsphäre. Die allermeisten spüren auch, wenn man keine Lust mehr hat zu reden oder so. Es ist keine selbstlose, blinde Hingabe, sondern eher ein Miteinander. Deswegen ist die Gefahr von kreischenden Teenies überfallen zu werden nicht da.

JC: In eurem Song "Feuerkind" heißt es "Dieses Zimmer meiner Kindheit brenn ich immer wieder nieder" - würdet ihr das Zimmer euer Kindheit auch am liebsten niederbrennen oder habt ihr schöne Erinnerungen an diese Zeit?

Eric: Das kann natürlich nur jeder selbst beantworten. Aber wir alle haben ein sehr solides, glückliches Elternhaus gehabt. Ein paar Scheidungskinder sind schon da. Der Hintergrund der Frage ist ja sicherlich, ob wir das selbst erlebt haben. Aber das haben wir nicht. Man muss auch nicht alles selbst erleben, man muss nur offene Augen haben und solche Dinge erkennen und an sich ranlassen, um so ein Lied schreiben zu können. Es ist quasi eine Analyse dessen, was man tag täglich erlebt. Wir sind alle sehr ausgeglichene Menschen, mit einem sehr feinen privaten Hintergrund.

JC: Ich habe bei der Nackt-Tour in Hannover mitbekommen, dass ihr teilweise die Fans gefilmt habt. Plant ihr eine DVD oder Ähnliches?

Eric: Dazu wird’s eine DVD geben. Die ist schon in Arbeit. Das, was wir da aufgenommenhaben, ist Bonusmaterial über die ganze Tour und Backstage. Die DVD selber ist in Berlin in der Passionskirche aufgenommen worden. Das wird grad geschnitten und bearbeitet und kommt im Herbst raus.

JC: Plant ihr demnächst wieder eine Tour oder macht ihr erstmal eine Ideen-Pause für ein hoffentlich nächstes Album?

Eric: Wir machen ja jedes Jahr eine Weihnachtstour, das wird auch dieses Jahr wieder so sein. 21. Dezember bis Sylvester. Es sind auch immer dieselben Städte, in denen wir so spielen. So weiß jeder Kölner, dass wir am 23.12. in der Stadt sind und jeder Potsdamer, dass wir am 30.12. da sind. Ich find das geil. Es ist ein bisschen ein romantisches Ereignis, weil sich die Leute das ganze Jahr darauf freuen können.

JC: Danke für das Interview!

Nichts zu danken.


Das Interview führte: Mary Kreye
 
 
 
 
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