Die Prinzessin Inka und die Liebe
Es war einmal eine Prinzessin, die in einem hohen, hohen Schloss wohnte. Im Schloss wohnten nur sie und einige Ratten und einige Tauben. Die Prinzessin, die Inka hieß, wusste nicht, wie man aus dem Schloss hinauskommt. Sie hatte über alle Möglichkeiten nachgedacht, aber sobald sie glaubte eine Tür gefunden zu haben, so verschwand diese, als ob sie eine optische Täuschung gewesen war. Sie suchte an den Wänden entlang nach einer Öffnung und bat ihre Rattenfreunde um Hilfe. Diese sagten zu ihr: „Schau, schau, hier gehen wir hinaus! “Schau, so leicht geht das!“ Aber die Rattenlöcher waren ganz und gar zu klein für Inka. Sie sagte: „Danke liebe Freunde, aber ich bin ganz und gar zu groß, um dort hinaus zu gehen.“ Die Ratten bedauerten das, weil sie Inka so gerne helfen wollten, aber sie waren so klein.
Die Tage vergingen und Inka versuchte weiter von dort hinauszukommen und manchmal dachte sie, sie sähe eine Tür. Manchmal ging sie hinauf in den Turm, um auf all das schöne Grün und die Gemeinschaft außerhalb des Schlosses zu blicken. Sie wünschte sich dorthin gelangen zu dürfen. Manchmal rief sie dem Volk außerhalb zu, aber es schien als hörten sie sie nicht. Es war, wie als ob die Worte sich in Luft auflösten, bevor sie es schafften zu denen zu gelangen, die sie hören sollten.
Eines Tages kam sie, um die Tauben um Hilfe zu bitten. Sie sagte: „Wenn ihr alle nachhelft, liebe Tauben, könnt ihr mich dann nicht an meinem Kleid festhalten und mit mir hinabfliegen?“ Sie testeten die Idee zunächst innerhalb des Schlosses und erst ging das Kleid kaputt, aber schließlich bekamen sie einen guten Griff und flogen die Prinzessin hinaus durch das Fenster und segelten sachte hinunter, dem Boden entgegen. Als sie unversehrt auf dem Boden angekommen war da, begriff sie, dass sie nichts über das Leben außerhalb des Schlosses wusste. Die Tauben verließen sie nun und flogen zum Schloss zurück.
Einsam blieb Inka zurück und betrachtete verwirrt die Menschen und die Umgebung. Eine Katze kam zu ihr und sagte: „So verwirrt siehst du aus, du Arme, komm, dann kann ich dich herumführen.“ „Oh, können wir zum Bach gehen? Es sieht so schön aus dort, wenn er sich über die Hügel schlängelt! ..Ich habe sie oft von dem Turm des Schlosses aus betrachtet, in dem ich so lange eingeschlossen war.“ „Oh“ sagte die Katze, „so gab es wirklich Leben im Schloss! Alle haben gedacht es gäbe nur Gespenster dort, deshalb hat niemand sich dorthin gewagt. …Aber nun kann ich dich mit zum Bach nehmen!“ „Hab vielen Dank.“
Inka liebte sofort alle Blumen, an denen sie auf dem Weg vorbeikam. Sie blieb lange stehen und befühlte sie und roch an ihnen. Am meisten berührt wurde sie von all diesen Farben! Auf dem Schloss war alles grau und aus Stein.
Gut unten am Bach angekommen trafen sie dort auf einige andere Menschen. Sie unterhielten sich, aber Inka verstand nicht, was sie sagten. Inka versuchte auch mit ihnen zu sprechen, aber sie verstanden sie ebenso wenig, obwohl sie die gleiche Sprache sprachen. Inka fragte die Katze: „Warum verstehen sie nicht, was ich sage?“ „Das ist, weil ihr auf unterschiedliche Weise sprecht! Wenn sie so sprechen kommen die Worte vom Gehirn und wenn du sprichst, kommen die Worte vom Herzen! …Sie verstehen mich auch nicht, „ sagte die Katze, “ und obwohl ich einen Teil gelernt habe, so ist es nicht immer so, dass ich sie auch verstehe.“
Sie begannen den Bach entlang zu gehen und Prinzessin Inka dachte über das Erlebnis nach. Manchmal streckte sie die Hand hinein oder weinte ins Wasser, um zu wissen, wie es sich anfühlte, und manchmal nahm sie Wasser in die Hand, um zu trinken. Das Wasser fühlte sich so frisch an, so voll von Leben, so klar und herrlich.
Die darauf folgenden Nächte durfte Inka bei der Katze schlafen und wohnen.
Eines Tages ging Prinzessin Inka selbst zum Bach hinunter. Da traf sie auf einen Blick, ebenso klar, wie das Wasser im Bach und ebenso warm, wie die Strahlen der Sonne und ebenso braun, wie die Kastanien auf dem Boden. Das war eine andere Prinzessin, die von weit, weit weg kam. Auf eine Weise fühlten sie sich gleich. Das war ein neues Gefühl für Inka. Lange standen sie nur da und betrachteten einander. Inka streckte die Hand aus, um nachzufühlen, ob sie wirklich vor ihr stand. Das tat sie. Die Prinzessin lachte ein bisschen darüber, als Inka das tat. „Ich heiße Vera“ sagte die Prinzessin mit den kastanienbraunen Augen. „Ich heiße Inka“ sagte Inka. Beide waren ein bisschen verwundert darüber, dass sie einander verstanden. Es war nicht notwendig mehr zu sagen. Das fühlte sich einfach sehr, sehr gut an.
Sie begannen gemeinsam am Bach entlang zu gehen. Prinzessin Vera schaute manchmal zu Inka hinüber und in Inkas Herz hatte das ein Gefühl geweckt, so wunderlich und wunderbar, welches wuchs und wuchs mit jedem Mal, wenn sich ihre Blicke trafen. Um sie herum lag die Landschaft, still und schön und es war, als flüsterte der Wind ihnen zu, stützend, aufmunternd: „Das ist in Ordnung, das ist in Ordnung, alles ist vollkommen in Ordnung, sie ist die Richtige, sie ist die Richtige für dich…!“
Vera nahm Inkas Hände in ihre, genau, als ob sie wusste, dass Inka etwas sagen wollte… Inka nahm allen Mut zusammen und sagte: „Liebe Vera, ich weiß, wir haben uns eben erst getroffen und dass wir aus unterschiedlichen Welten kommen, aber jetzt, da ich dich getroffen habe, da fühle ich, dass ich niemals wieder von dir getrennt sein möchte!“ „Ich fühle ebenso“ sagte Vera „ aber eine Sache stimmt nicht, wir sind nicht von unterschiedlichen Welten… Ich begreife, dass du hierher gelangt bist, nur, um zu lernen wie du wieder heimfindest. Und so ist es auch für mich, fuhr Vera fort, „Ich war auch lange eingeschlossen. Um hinaus zu kommen war ich gezwungen auf die Liebe zu vertrauen und es war wohl dasselbe bei dir?“ „Wie meinst du das?“ sagte Inka. „Gewiss, du warst gezwungen auf etwas zu vertrauen, du warst gezwungen auf die Liebe der Tauben zu dir zu vertrauen, dass sie dich tatsächlich tragen wollten, hinaus aus dem Schloss und den ganzen Weg hinunter zum Boden!“ „Ja, das stimmt wohl!“ sagte Inka „Aber bei dir?“ „Gewiss, mir wurde zugesagt von meinem Freund der Schildkröte, dass wenn ich diesen Weg gehe, du hier sein wirst, um mich zu treffen und mir helfen wirst heim zu finden und erst, wenn ich wagen würde zu glauben, dann könnte ich gehen!“ Plötzlich fühlten sie beide ein so großes Glück, dass sie begannen zu hüpfen und umeinander zu tanzen. Und all dieses Glück bewirkte, dass ihnen Flügel aus dem Rücken wuchsen, ungefähr so, wie wenn Puppen sich in Schmetterlinge verwandeln. Mit einem Mal wussten beide, wie sie heimfinden sollten. So flogen sie Hand in Hand ihrer Heimat entgegen, dort heirateten sie und alle Tiere, die sie kannten und liebten waren zur Hochzeit eingeladen! Natürlich lebten sie glücklich zusammen bis ans Ende ihrer Tage.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Amsie Lundberg
mailto: ettufopaminkudde@hotmail.com
Übersetzung: Nina Valdivia
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